IN ALLEM, WAS GESCHIEHT, DAS GUTE SEHEN
Das "Sehen des Guten in den Dingen" ist eigentlich ein ge-wöhnlicher
und oft gehörter Ausdruck. Im Verlauf des täglichen Lebens sagen die Leute
häufig Dinge wie "Es muss etwas Gutes in dieser Sache stecken" oder "Es
ist ein Segen von Gott".
Doch die Leute sprechen diese Weisheiten für gewöhnlich aus, ohne ihre
wahre Bedeutung zu verstehen, bloß um gesellschaftlichen Bräuchen zu folgen.
Die meisten erkennen den eigentlichen Sinn dieser Worte und was sie für
unser tägliches Leben bedeuten nicht. Im Grunde sind die meisten ahnungslos,
dass diese Worte einen wichtigen Einblick in den Sinn und Hin-tergrund
der täglichen Ereignisse geben.
Fakt ist jedenfalls, dass das Sehen des Guten in allen Ereig-nissen,
egal in welchen Umständen, seien sie günstig oder ungünstig, eine wichtige
moralische Qualität ist, die aus aufrichtigem Glauben an Gott resultiert,
und der Lebenseinstellung, die von diesem Glauben kommt. Das Verständnis
dieser Wahrheit ist ein großer Segen in dieser Welt und bringt eine große
Beloh-nung im Jenseits mit sich, wo man endlosen Frieden und Glückseligkeit
finden wird.
Keinerlei Gefühle der Enttäuschung bei irgendwelchen alltäglichen Geschehnissen
zu verspüren weist auf ein wahres Verständnis der Bedeutung von Glauben
hin. Nicht das Gute in allen Dingen zu sehen und mit dauernder Angst,
Sorge, Verzweiflung, Trauer oder Sentimentalität erfüllt zu sein, zeigt
dagegen einen Mangel an aufrichtigem Glauben. Solch eine Geisteshaltung
sollte man schnellstens ablegen. Die Freude, die aus aufrichtigem Glauben
hervorgeht, sollte als ein notwendiger Teil des Leben angesehen werden.
Ein Gläubiger weiß, dass Ereignisse, die auf den ersten Blick ungünstig
erscheinen, einschließlich jener, die aus seinen Fehler resultieren, sich
letztendlich als äußerst nützlich für ihn herausstellen können. Wenn er
die Worte "Unglück", "Missgeschick" oder "wenn doch nur..." benutzt, dann
nur, um eine Lehre aus einer Erfahrung zu ziehen. In anderen Worten weiß
der Gläubige, dass in allem, was geschieht, etwas Gutes steckt; er lernt
aus seinen Fehlern und versucht, sich zu verbessern. Wenn er wieder den
gleichen Fehler begehen sollte, denkt er daran, dass alles für einen bestimmten
Zweck geschieht und beschließt, das nächste Mal noch besser aufzupassen.
Selbst wenn die gleiche Sache Dutzende Male vorkommen sollte, muss ein
Muslim stets daran denken, dass alles einen Sinn hat. So ist das unveränderliche
Gesetz Allahs. Diese Tatsache wurde auch vom Propheten Muhammad (s.a.w.s)
erklärt, der sagte:
Seltsam sind die Wege eines Gläubigen, denn in jeder seiner Angelegenheiten
liegt etwas Gutes, was bei keinem Menschen außer ihm der Fall ist. Wenn
er etwas erlebt, was ihm Vergnügen bereitet, dankt er (Allah), also gibt
es etwas Gutes für ihn in dieser Sache, und wenn er sich in Schwierigkeiten
befindet und sie geduldig erträgt, gibt es auch in dieser Sache etwas
Gutes für ihn. (Sahih Muslim)
Nur durch die Anerkennung, dass Allah alles für einen bestimmten Zweck
erschafft, kann Frieden und Gelassenheit in die Herzen der Menschen einkehren.
Diese Tatsache zu verstehen bedeutet einen großen Segen für den Gläubigen.
Eine Person, die vom Islam entfernt ist, leidet an ununterbrochener Qual;
sie lebt in dauernder Sorge und ängstigt sich ständig vor irgendwelchen
Dingen, die vielleicht passieren könnten. Ein Gläubiger dagegen erkennt
und vergegenwärtigt sich die Tatsache, dass es einen göttlichen Zweck
in Allahs Schöpfung gibt.
Eine unschlüssige Geisteshaltung, das heißt, man leidet unter der ständigen
Erwartung sowohl des Guten als auch des Schlechten, wird für einen Gläubigen
im Jenseits eine Last sein. Sich solch einer schlichten und offensichtlichen
Wahrheit wie oben beschrieben aufgrund von Desinteresse oder Faulheit
nicht bewusst zu sein, wird sowohl in dieser Welt als auch im Jenseits
nichts als Qual hervorrufen. Wir müssen uns im Klaren sein, dass das Schicksal
der Menschen von Allah vorherbestimmt wurde und völlig fehlerfrei ist.
Jemand, der in allen Dingen das Gute erkennt, findet Segen und einen göttlichen
Zweck nur innerhalb eines riesigen Komplexes miteinander verknüpfter Ereignisse.
Obwohl sie während des Tages vielleicht viele andere Dinge beschäftigen,
lässt sich eine Person von starkem Glauben, Weisheit und Gewissen niemals
von Satan verleiten. Egal wie, wann oder wo ein Ereignis stattfindet,
sie vergisst nie, dass es immer irgendetwas Gutes dahinter gibt. Obwohl
sie vielleicht nicht fähig ist, dieses Gute sofort zu erkennen, ist das
was wirklich für sie zählt ihr Bewusstsein, dass alles einen Sinn hat.
Wegen ihrer hastigen Natur sind die Leute oft nicht geduldig genug, um
das Gute in den Ereignissen, die ihnen zustoßen, zu sehen. In der Folge
werden sie vielleicht aggressiv und hartnäckig versuchen, etwas zu erreichen,
was eigentlich gegen ihr Interesse ist und ihnen eher schaden als nutzen
würde. Im Quran wird diese Tatsache folgendermaßen erklärt:
Und der Mensch erbittet Schlechtes so wie er Gutes erbittet;
denn der Mensch ist voreilig. (Sure 17:11 - al-Isra')
Trotzdem muss eine Person sich bemühen, den guten und göttlichen Zweck
in jedem Ereignis zu sehen, das Allah ihr beschert, anstatt hartnäckig
auf Dingen zu bestehen, die ihrem Verstand günstig erscheinen und voller
Ungeduld zu versuchen, diese Dinge zu erreichen. Ein Beispiel: obwohl
eine Person sich sehr bemüht, einen besseren finanziellen Status zu erlangen,
mag eine Änderung vielleicht nie eintreten. Eine Person, die solch eine
Situation als frustrierend empfinden würde, läge falsch. Natürlich betet
man zu Allah um Reichtum, der im Trachten nach Seinem Wohlgefallen ausgegeben
werden sollte. Aber man muss wissen, dass wenn dieser Wunsch nicht gewährt
wird, dies einen bestimmten Grund hat. Es könnte sein, dass eine Zunahme
an Reichtum, der vor dem Erreichen geistiger Reife erworben wird, die
betreffende Person anfällig gegenüber Satans Tricks machen würde. Vielen
anderen ähnlichen Gründen, von denen die wenigsten sofort erkennbar sind
oder nur im Jenseits offenbart werden, liegen bestimmte Ereignisse zugrunde.
Ein Mann verpasst vielleicht eine Besprechung, die er für einen wichtigen
Schritt in seiner Karriere hielt. Doch könnte er, wenn er zur Versammlung
gegangen wäre, auf dem Hinweg in einen Verkehrsunfall verwickelt worden
sein oder, wenn die Versammlung in einer anderen Stadt wäre, so wäre vielleicht
sein Flugzeug abgestürzt.
Niemand ist gegen solche Ereignisse immun. Es ist nicht ungewöhnlich,
dass man im Nachhinein das Gute in einer Sache sieht, die zuerst sehr
ungünstig geschienen hatte. Man sollte stets daran denken, dass man nicht
immer fähig sein kann, den Sinn einer scheinbar ungünstigen Situation
zu begreifen. Wir haben vielleicht nicht immer die Chance, das positive
Resultat eines bestimmten Ereignisses zu erleben. Es ist gut möglich,
dass Allah den göttlichen Sinn hinter manchen Ereignissen erst im Jenseits
enthüllen wird. Aus diesem Grund sollte jeder Mensch, der sich seinem
Schicksal hingibt und vollstes Vertrauen in Allah setzt, jedes Ereignis
annehmen, egal wie gut oder schlecht es erscheinen mag, und sich immer
bewusst sein, dass es in allem etwas Gutes gibt.
Es muss auch erwähnt werden, dass "das Erkennen des Guten" keineswegs
bedeutet, dass man die Ernsthaftigkeit der ungünstigen Ereignisse ignoriert,
indem man so tut, als ob sie nicht passiert wären oder indem man übermäßig
idealistisch ist. Im Gegenteil ist ein Gläubiger dafür verantwortlich,
alle geeigneten Handlungen und Methoden durchzuführen, um ein Problem
zu lösen und eine Situation zu verbessern. Die Gelassenheit eines Gläubigen
darf nicht mit dem Verhalten von anderen verwechselt werden, die - aufgrund
eines falschen Verständnis der Thematik - gegenüber allem, was um sie
herum passiert, gleichgültig und passiv bleiben und auf unrealistische
Weise optimistisch sind. Solche Leute tragen eine "rosarote Brille". Sie
treffen keine vernünftigen Entscheidungen oder setzen sie in die Tat um,
weil sie passiv und naiv optimistisch sind, anstatt nach Lösungen für
Probleme zu suchen. Wenn bei solch einer Person beispielsweise eine ernste
Krankheit diagnostiziert wird, so würde sich ihre Situation mit der Zeit
immer mehr verschlechtern, bis hin zur Todesgefahr, da sie in ihrer Passivität
eine angemessene Behandlung vernachlässigen würde. Ein anderes Beispiel:
eine Person, die es unnötig findet, ihre Wertgegenstände zu sichern, obwohl
bei ihr schon einmal eingebrochen wurde, bringt sich durch ihre Nachlässigkeit
selbst in die Gefahr, wieder das Opfer weiterer ähnlicher Überfälle zu
werden.
Zweifellos sind solche Verhaltensweisen weit entfernt von wahrem "Gottvertrauen"
und "dem Sehen des Guten in allem". Solche Einstellungen sind im Grunde
nichts als Nachlässigkeit. Gläubige müssen dagegen stets ihr bestes tun,
um eine praktische Lösung für eine Situation zu finden. Die Art, wie sie
handeln, ist eine Form von "Verehrung Allahs". Denn wenn sie in solche
Situationen verwickelt werden, denken sie immer daran, dass es allein
Allah ist, der die Ereignisse stattfinden lässt.
Im Quran teilt uns Allah die Geschichten der Propheten und wahren Gläubigen
als Beispiele von Menschen mit, die sich dieser Tatsache bewusst waren,
und denen die Gläubigen nacheifern sollten. Die Art, wie der Prophet Hud
(a.s.) seinem Volk trotz deren Drohungen gegen ihn antwortete, enthüllt
seine vollständige Ergebung in Allah und sein unerschütterliches Vertrauen
in Ihn.
Sie sprachen: "O Hud! Du kamst nicht mit einem deutlichen
Wunder zu uns. Und wir wollen unsere Götter nicht auf dein Wort hin verlassen.
Wir glauben dir nicht. Wir können nur vermuten, dass dich einer unserer
Götter mit einem Übel heimgesucht hat." Er sprach: "Siehe, ich nehme Allah
zum Zeugen, und bezeugt auch ihr, dass ich nichts mit den Götzen zu schaffen
habe, die ihr Ihm zur Seite setzt. So macht halt allesamt euere Pläne
gegen mich, und gebt mir keinen Aufschub. Siehe, ich vertraue auf Allah,
meinen Herrn und eueren Herrn. Kein Lebewesen gibt es auf Erden, das Er
nicht am Schopf erfasst. Siehe, meines Herren Weg ist gerade. Und selbst
wenn ihr den Rücken kehrt, so habe ich euch doch überbracht, womit ich
zu euch entsandt worden war. Mein Herr wird euch ein anderes Volk nachfolgen
lassen. Und Ihm könnt ihr nicht schaden. Siehe, mein Herr gibt auf alle
Dinge acht." (Sure 11:53-57 - Hud)
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