Die Terrorangriffe vom 11. September
waren ein Wendepunkt für die Welt, der die
politischen und strategischen Gleichgewichte vollständig
verändert hat. Einige politische Kommentatoren
gehen so weit, zu sagen, der 11. September markiere
erst den wirklichen Beginn des 21. Jahrhunderts.
Blickt man auf das vergangene Jahrhundert zurück,
so lässt sich feststellen, dass dessen wichtigste
Elemente Meinungsbildung und Überzeugungen
Ideologien waren und die Beziehungen zwischen diesen
Ideologien. In ähnlicher Weise werden Zivilisationen,
Überzeugungen und die Beziehungen zwischen
ihnen das 21. Jahrhundert prägen.
Von mancher Seite gibt es die Behauptung, die Beziehungen
zwischen Zivilisationen und Überzeugungen würden
im wesentlichen durch deren Konfrontation bestimmt
werden. Wir hoffen jedoch ganz im Gegenteil, dass
diese Beziehungen auf Frieden und Freundschaft basieren
werden. Der Quran wird uns Muslimen dabei als Wegweiser
dienen. Allah erklärt uns im Quran, dass die
Unterschiede zwischen den Menschen ein Grund sein
sollten, zu versuchen, einander besser zu verstehen:
O ihr Menschen! Wir erschufen euch aus einem Mann
und einer Frau und machten euch zu Völkern
und Stämmen damit ihr einander kennenlernt.
Doch der vor Allah am meisten Geehrte von euch ist
der Gottesfürchtigste unter euch. Allah ist
fürwahr wissend, kundig. (Quran, 49:13)
In einem anderen Vers ruft Allah besonders uns
Muslime auf, die Völker der Schrift - Christen
und Juden - gut zu behandeln:
Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift, es
sei denn auf beste Art und Weise, außer mit
jenen von ihnen, die unrecht handeln. Und sprecht:
„Wir glauben an das, was zu uns herabgesandt
wurde und was zu euch herabgesandt wurde. Unser
Gott und euer Gott ist ein und derselbe. Und Ihm
sind wir ergeben.“ (Quran, 29:46)
Muslime sollten daher gemeinsam daran arbeiten,
ein System zu schaffen, dass es ermöglicht,
unterschiedliche Gesellschaften in eine Beziehung
gemeinsamer Toleranz und des Friedens zu bringen.
Es gehört ganz sicher zu den hauptsächlichen
Pflichten des Muslims, Menschen anderen Glaubens
einzuladen, sich dem Islam anzuschließen,
doch gleichzeitig müssen sie einen jeden gut
und gerecht behandeln, ob er ihrem Ruf folgt oder
nicht. Das ständige Ziel des Muslims muss die
Fürsorge für alle Menschen sein, denn
Allah spricht in einem Quranvers: "Ihr
seid die beste Gemeinschaft, die für die Menschen
erstand." (Quran, 3:110).
Die Auswirkungen der Angriffe des 11. September
brachten jedoch ein erschreckendes Problem ans Tageslicht:
Bestimmte Kreise, die behaupten, im Namen des Islam
zu sprechen, die jedoch zweifellos sein Wesen überhaupt
nicht verstanden haben, bringen Leid über die
Menschen, anstatt sich für ihr Wohlergehen
einzusetzen. Indem sie Unschuldige attackieren und
töten, begehen sie die gemeinsten Sünden,
die der Islam selbstverständlich verbietet
und sie bringen Chaos über die Welt. Ihr gewalttätiges
Verhalten und ihre vor Wut kochenden aggressiven
Botschaften haben mit dem Islam überhaupt nichts
gemein. Außerdem bringen diese Kreise die
über eine Milliarde Muslime der Welt in die
allerschwierigste Position.
Der Quran enthält Aussagen über Menschen,
die die Religion missdeuten und im Namen des Glaubens
Terroranschläge verüben. (3:7; 27:48-49).
Gott warnt die Muslime, sich von Kräften fern
zu halten, die halsstarrig verharren in Unglauben
und Heuchelei, und er warnt vor denen, die die edle
Moral nicht erkennen, die das Herzstück der
Religion bildet, die stattdessen aufgrund ihres
verhärteten Charakters Gewalt anwenden. (9:47;
49:14). In der Geschichte des Islam verübten
Gruppen wie die Assassinen und die Kharijites Terror
im Namen der Religion und sie säten Anarchie
in ihrer Ignoranz.
Es handelt sich hier um ein drängendes Problem,
dass schnellstens gelöst werden muss. Der Islam
muss von solchen bösen Tendenzen gereinigt
werden und Extremismus und Aberglauben gehören
ausgerottet. Muslime müssen über die wahre
Natur der islamischen Moral aufgeklärt werden,
die auf dem Quran beruht, in den Worten von Imam
Al Ghazali: „Die islamische Welt muss neu
belebt werden.“
Probleme der U.S. Politik
Der Westen und besonders die Vereinigten Staaten,
Ziel der Angriffe vom 11. September, haben dies
erkannt, zumindest teilweise. Die US-Regierung hat
deshalb mit dem Versuch begonnen, innerhalb der
nächsten 10-15 Jahre „die islamische
Welt zu reorganisieren“. Diese Strategie hat
jedoch zwei ernsthafte Mängel.
1. Die Vereinigten Staaten sollten keine
militärische Gewalt anwenden.
Die US-Operation in Afghanistan leitete eine Ära
von Militär-Interventionen ein, deren Ende
nicht abzusehen ist. Als ein Beispiel sei der anstehende
Krieg gegen den Irak genannt. Einige Beobachter
sagen voraus, die USA würden nach Ende des
Krieges gegen den Irak weitere Militäroperationen
gegen andere Staaten im Nahen Osten unternehmen.
Ein solcher Weg brächte die USA ihren Zielen
jedoch nicht näher, sondern würde vielmehr
viele Unschuldige das Leben kosten. Militärinterventionen
würden unausweichlich als „Krieg gegen
den Islam“ interpretiert, was nur weiteres
Öl ins Feuer gießen würde.
Wenn die Vereinigten Staaten wirklich einen „Krieg
gegen den Terrorismus“ führen wollen,
so sollten sie dies auf dem Feld der Ideen und Meinungen
tun. Terrorismus ist kein greifbarer Feind, sondern
eine Methode, die von Menschen mit fehlgeleiteten
Ideen angewandt wird. Gegen eine Methode kann man
nicht kämpfen, man kann nur gegen die Kräfte
kämpfen, die diese Methode anwenden. Wenn eine
solche Kraft in einer Meinung besteht, dann sollte
sie auf dem Feld der Meinungen bekämpft werden.
Die Ideologien und die Psychologie, die zum Terrorismus
führen, müssen beseitigt werden. Stattdessen
sollte die Menschen die wahre Religion, die auf
dem Quran basiert, gelehrt werden und keine falschen
religiösen Interpretationen, die im Terrorismus
münden.
2. Die Vereinigten Staaten sollten nicht
versuchen, eine Lösung „von außen“
zu erzwingen.
Die oben dargelegten Überlegungen zeigen,
dass es nicht recht wäre, wenn die Vereinigten
Staaten versuchen würden, das Problem “von
außen” zu lösen. Das Problem liegt
in der Fehlinterpretation und einer Verzerrung des
Islam durch gewisse Leute, daher sollte die Lösung
dieses Problems aus der islamischen Welt kommen.
Muslime könnten dafür arbeiten, dass der
Islam richtig verstanden wird, und gleichzeitig
seine Fehlinterpretation bekämpfen. Die Vereinigten
Staaten sollten eine Lösung, die aus der islamischen
Welt kommt, unterstützen.
Wenn die Vereinigten Staaten einen solchen Ansatz
unterstützten, wäre dies besser für
sie, für die islamische Weltgemeinschaft und
für die gesamte Welt. Die das Gegenteil behaupten,
sollten ihre Haltung überdenken und sich darüber
klar werden, dass solche Ansichten die Welt in ein
Blutbad führen. Die U.S.-Regierung darf nicht
auf falsche Vorschläge bestimmter Kräfte
hören, die mit Hintergedanken vorgebracht werden.
Diese Kräfte sind jene Ideologen und Strategen,
die nichts sehnlicher wünschen, als das ein
blutiger Krieg zwischen dem Westen und der islamischen
Welt ausbräche. Diese Kräfte versuchen
gleichzeitig, die U.S.-Antiterror-Politik als “Krieg
gegen den Islam” darzustellen. Die U.S.-Regierung,
besonders Präsident Bush, hat einsichtige Stellungnahmen
abgegeben, die eine solche “der Westen gegen
den Islam” Haltung zurückweisen und dies
hat bereits Früchte getragen. Trotzdem ist
es notwendig, dass die Politik der U.S.-Regierung
in dieser Frage vor den Augen der Weltöffentlichkeit
einen aufgeklärteren Standpunkt erkennen lässt.
Wie sollte eine islamische Union aussehen?
Der Krieg gegen den Terrorismus sollte also auf
dem Feld der Meinungen und Ideen geführt werden,
und die Lösung des Problems sollte aus der
Welt des Islam kommen. Doch wie kann dies geschehen?
Bevor diese Frage beantwortet werden kann, muss
auf einen wesentlichen Punkt hingewiesen werden:
Die Spaltung der islamischen Welt.
Heute existieren in der Welt des Islam viele unterschiedliche
Interpretationen, Ansichten und Modelle. Doch der
islamischen Welt fehlt zur Zeit eine zentrale Autorität,
die solche Doktrinen aussortieren würde, die
dem Glauben zuwider laufen, eine Institution, die
alle Muslime leiten würde. Die Katholiken können
auf den Vatikan schauen, die orthodoxen Christen
haben ihre Patriarchen, doch es gibt keine zentrale
Autorität in der islamischen Welt.
Andererseits gibt es keine Teilung oder unkontrollierte
Strukturen im Wesen des Islams selbst, im Gegenteil,
es herrscht Einigkeit. Nach dem Tode des Propheten
Mohammed, Friede sei mit ihm, wurde die islamische
Welt durch das Kalifat geführt, und diese Autorität
wurde in religiösen Angelegenheiten zum Führer
für alle Muslime.
Nun könnte das Kalifat heutzutage wegen seiner
monarchistischen Wurzeln nicht wieder eingeführt
werden, doch es ist immer noch möglich, eine
Institution zu etablieren, die als führende
Autorität aller Muslime agieren könnte.
Im Quran befiehlt Allah allen Muslimen, denen zu
gehorchen, “die über sie herrschen.”
(Quran, 4:59). Die Methoden zur Auswahl jener, die
herrschen, können den Anforderungen unseres
Zeitalters angepasst werden, anstatt des Sultanats
beispielsweise ihre Ernennung oder allgemeine Wahlen.
Es ist möglich, eine Islamische Union ins Leben
zu rufen und eine zentrale islamische Autorität,
die dann allerdings eine Reihe von Dingen tun müsste.
1. Sie sollte die gesamte islamische Welt ansprechen,
und sie sollte auf einem stabilen Fundament islamischer
Werte und Prinzipien ruhen. Sie sollte nicht
Repräsentant einer besonderen Sekte oder islamischen
Schule sein.
2. Sie sollte die Menschenrechte und das
freie Unternehmertum unterstützen.
Die wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche
Entwicklung der islamischen Welt sollte ihr Ziel
sein.
3 Sie sollte friedliche, harmonische Beziehungen
mit anderen Nationen und Zivilisationen unterhalten.
Diese Union sollte mit den Vereinten Nationen und
der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten,
um Massenvernichtungswaffen unter Kontrolle zu halten,
den Terrorismus und die internationale Kriminalität
zu bekämpfen, und die Umwelt zu erhalten.
4. Die Rechte von Minderheiten wie Juden und Christen,
die in muslimischen Ländern leben, sollten
geschützt werden und sie sollten sich sicher
und respektiert fühlen können. Dem interkonfessionellen
Dialog und der Kooperation sollten Priorität
eingeräumt werden.
5. Gerechte und friedliche Lösungen sollten
vorgeschlagen werden, um Konflikte zwischen muslimischen
und nicht-muslimischen Gemeinschaften zu lösen,
wie es sie in Palästina, Kaschmir und auf den
Philippinen gibt. Diese Lösungen sollten Vorteile
und Kompromisse für beide Seiten beinhalten.
Solche Lösungen sollten die Rechte der Muslime
schützen und außerdem die Eskalation
von Konflikten durch radikale Gruppen verhindern.
Eine solche klare und rationale Führung der
islamischen Welt wäre nicht nur gut für
die 1,2 Milliarden Muslime, die sich heute so vielen
Problemen gegenüber sehen, sondern für
die Welt als ganzes. Die Welt braucht eine solche
Union. Muslime haben seit den Zeiten des Propheten
Mohammed den Weg gewiesen für Wissenschaft,
Philosophie, Kunst, Kultur und Zivilisation, und
ihre größten Errungenschaften kamen der
Humanität zugute. Während Europa noch
immer im Mittelalter lebte, lehrten Muslime die
Welt Wissenschaft, Medizin, Kunst, Hygiene und vieles
andere. Heute wie in der Vergangenheit wird ein
führendes Prinzip gebraucht, dass auf der Moral
des Islams basiert, um dessen Erneuerung anhand
der erleuchtenden Kraft und Weisheit des Qurans
in die Wege zu leiten.
Zum Schluss muss hervorgehoben werden, dass diese
Lösung dringend und schnell verwirklicht werden
muss, denn die Möglichkeit einer “Konfrontation
der Zivilisationen”, zwischen der “islamischen
Welt” und dem “Westen” wächst
mit jedem Tag. Ein Krieg im Irak wird immer wahrscheinlicher,
und wenn die jetzige Situation sich nicht ändert,
werden mit Sicherheit weitere Kriege folgen. Solche
Konflikte werden das Leben vieler unschuldiger Menschen
fordern. Vorurteile und Missverständnisse gegenüber
Muslimen und dem Islam sind ein Problem, das andauert,
und dies verursacht auch Probleme für die Muslime,
die in westlichen Ländern leben. Viele Menschen
im Westen leben in Sorge aus Furcht vor Terrorismus
und fühlen sich in ihren eigenen Heimatländern
nicht sicher. Wir brauchen eine Lösung, die
diese Probleme der Vergangenheit angehören
lässt.
Die Gründung einer islamischen Union wäre
eine solche Lösung, eine Lösung, die für
all diese Probleme eine friedliche und dauerhafte
Abhilfe brächte.
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